In 2 ½ Jahren sind die nächsten Eidgenössischen Wahlen. Sie werden wohl primär durch die Finanzknappheit geprägt sein. Steuererhöhungen für Einzelpersonen sowie die Erhöhung der Mehrwertsteuer könnten sehr bald – aus bürgerlicher Sicht – zum Thema werden. Da muss die SP konsequent dagegenhalten und in die Offensive gehen.
Die aktuelle finanzpolitische Situation ist angespannt. Generell muss man feststellen, dass die Ausgaben der öffentlichen Hand seit Beginn der Pandemie durch die Decke schiessen (und zwar auf allen Ebenen: Gemeinde, Kanton und Bund). Gleichzeitig zeigen die Steuereinnahmen (bei Unternehmen und Einzelpersonen) eine stark sinkende Tendenz. Es öffnet sich also eine Schere und es ist kein Ende absehbar.
Dazu kommt eine zunehmende Ungleichheit der Vermögen:
Gemäss NZZ am Sonntag (20.Dez.2020) besassen 2019 1% der Steuerpflichtigen rund 800 Milliarden Fr. Vermögen. Die zehn reichsten Personen besitzen ungefähr halb soviel Vermögen wie 8.5 Mio. Schweizerinnen und Schweizer insgesamt. Die Gesellschaft wird destabilisiert (Zitat NZZ).
Riesiger Finanzbedarf heute und in Zukunft:
Die öffentliche Hand wird heute und in Zukunft auf allen drei Ebenen enorme Summen brauchen
- um die durch Covid 19 verursachte Situation auffangen zu können. (Die Nationalbank mit ihrem grossen Vermögen muss ebenfalls zur Tilgung der Schulden beitragen.)
- Weiterer sehr grosser Finanzbedarf besteht bei den Sozialwerken
- Die anstehenden Klimaprojekte (Anstossfinanzierungen etc.) müssen – so schnell wie möglich – finanziert werden. (Dies auch um den internationalen Verpflichtungen nachzukommen.)
- Weitere Projekte mit erhöhtem Finanzbedarf bestehen u.a. im Gesundheitswesen, in der ildung/Forschung, der Infrastruktur etc.
Mögliche Lösungen
Die „Arbeitsgruppe Steuergerechtigkeit“ der SP Schweiz (deren Mitglied ich bin) diskutiert momentan folgende Initiativen oder Vorstösse zuhanden der Geschäftsleitung und der Fraktion:
- „Nationale Erbschaftssteuer“: Diese wurde von Chr. Levrat im Sommer 2020 in verschiedenen Zeitungen angekündigt. Anders als in der 2015 abgelehnten Vorlage wurde nun der Freibetrag erhöht, um die Erbfolge bei KMZ zu erleichtern. Die Einnahmen (bei der abgelehnten Vorlage rechnete man mit 6-8 Milliarden) sollen zu 2/3 für die AHV und zu 1/3 für Klimaprojekte verwendet werden.
- Aufhebung der nationalen Pauschalbesteuerung nach Aufwand: Forderung: Pauschalbesteuerte ausländische Milliardäre/Millionäre (ca. 5000 Personen) sollten analog zu den schweizerischen Milliardären/Millionären besteuert werden. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit – zumal auch Pauschalbesteuerte u.a. von unserer Infrastruktur profitieren. Die Gefahr der Absetzbewegung ins Ausland ist sehr gering.
- Aufhebung des sog. Bankkundengeheimnis im Inland: Dieses Instrument, das nach wie vor gültig ist, dient lediglich der Steuerhinterziehung. Im OECD-Raum ist der Datenaustausch seit Jahren eine Selbstverständlichkeit – und doch: die bürgerliche Mehrheit blockiert in der Schweiz seit Jahren die Aufhebung des (inländischen) Bankgeheimnisses. Warum wohl? Zu erwähnen ist, dass die schweizerischen Banken und Behörden im Rahmen der OECD gezwungen sind, Bankdaten ausländischer Kunden an ausländische Steuerbehörden zu liefern. Das nennt sich AIA (Automatischer Datenaustausch).
- Befristete Erhöhung der Gewinnsteuer für Unternehmen und befristete Erhöhung der Vermögenssteuer für Reiche: Bereits wurden entsprechende Motionen von Mattea Meyer und Roger Nordmann eingereicht. ( Motion 20.3947 vom 8. September 2020 und Motion 20.3203 vom 4. Mai 2020). Diese Motionen gelten ab einer bestimmten Höhe des Gewinnes oder der Vermögen.
- Besteuerung der Internetgiganten und grossen Konzerne: Die digitalen Giganten (Apple, Google, Amazon, Facebook etc.) sowie grosse Konzerne entziehen sich mehrheitlich den nationalen Steuerregimes. Sie sind am Ort der Gewinnerzielung zu besteuern und nicht dort wo die Holdinggesellschaften ihren Firmensitz (z.B. Irland, Luxemburg etc.) haben. Die US-Finanzministerin Yellen schlug Ende März 21 vor, dass Firmen/Konzerne weltweit zu einem Standardsatz von 21 Prozent zu besteuern wären. Dies um den Steuerwettlauf nach unten zu stoppen. Die Verhandlungen im Rahmen der OECD sind am Laufen. Es geht auch um den Schutz des einheimischen Gewerbes.
- Steuerhinterziehung Schweiz: Die NZZ vom 3.2.20 sprach im Zusammenhang mit straflosen Selbstanzeigen von rund 50 Milliarden nicht deklarierten Werten. In dieser Zahl nicht berücksichtigt sind zudem die Kantone VD, ZG, LU, NW, OW, AI u.a., die keine Angaben machten. Die Gesamtsumme dürfte also mindestens 70 Milliarden betragen. Gemäss Sonntagszeitung vom 21.3.21 fliessen zudem jährlich rund 4.8 Milliarden Fr. aus der Schweiz in Steueroasen im Ausland. Bei einer hypothetischen Besteuerung von tiefen 15 % (Einkommen) würden aus all diesen Werten Steuereinnahmen in der Höhe von ca. 12 Milliarden resultieren.
Weitere Themen:
Finanztransaktionssteuer (müsste europaweit oder besser weltweit eingeführt werden), wird seit rund einem Jahrzehnt diskutiert und u.a. von bürgerlichen Parteien der EU blockiert). Mikrosteuer, siehe www.mikrosteuer.ch
Die 99%-Initiative: Höhere Besteuerung der Kapitaleinkommen
Was will die 99%-Initiative?
Die 99%-Initiative verlangt, dass Kapitaleinkommen (Zinsen, Einnahmen aus Immoblien, Dividenden, Erträge aus Wertpapiergewinnen etc.) 1.5 mal so stark wie Arbeitseinkommen besteuert werden. Es gilt ein Freibetrag von beispielsweise 100‘000 Franken pro Jahr (das Parlament würde die zu besteuernden Kapitalgewinne definieren und den Freibetrag festlegen). Der dadurch erzielte Mehrertrag würde verwendet, um die Einkommenssteuern für Personen mit tiefen und mittleren Arbeitseinkommen zu senken. Ebenso könnten die Mehrein- nahmen für Leistungen der sozialen Wohlfahrt (AHV, IV, EO, ALV) wie auch für Familienleistungen, Bildung und Gesundheit verwendet werden.
Warum ist die 99% Initiative notwendig?
Die NZZ beurteilt die Initiative so: Das ist Klassenkampf und es fehlen die Inhalte!
Wir halten dagegen: Im Falle der Annahme (Abstimmung wahrscheinlich noch im 2021) müsste die bürgerliche Mehrheit die Kapitalgewinne etc. definieren. Die Schweizer StimmbürgerInnen würden genau hinschauen. Eines ist sicher: Die Finanz- und Treuhandindustrie werden wohl Dutzende Millionen in den Abstimmungskampf werfen.
In der Schweiz fliessen jedes Jahr Dutzende Milliarden Franken als Zinsen, Dividenden, Mieteinnahmen, Devisengewinne, Gewinne aus Wertpapierverkäufen etc. zu denen, die ohnehin bereits reich sind. Diese Kapitaleinkommen wurden in den letzten Jahren steuerlich immer stärker privilegiert. Davon profitierten die Reichsten und die grossen Konzerne. Die Lohnabhängigen werden hingegen immer stärker belastet. Dies ist besonders stossend, weil der Wohlstand durch die Lohnabhängigen erarbeitet wird und nicht, wie man uns weismachen will, durch das eine Prozent. Die 99%-Initiative will diesen Entwicklungen etwas entgegenhalten.
Dank dieser Initiative würden – je nach Ausgestaltung – rund 8-10 Milliarden Franken pro Jahr an die arbeitende Bevölkerung rückverteilt.
Langjähriger Mitarbeiter der ehemaligen Nationalrätin M. Kiener-Nellen (Bolligen) und langjähriges Vorstandsmitglied SP Ostermundigen und SAH Bern